Milliardengeschenk an LEAG gefährdet Kohleausstieg: Jurist*innen fordern Stellungnahme von Bundesregierung

Pressemitteilung

 

Mittwoch, 29.01.2020

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Die Jurist*innen von ClientEarth haben sich heute in einem Brief an Umweltministerin Schulze, Wirtschaftsminister Altmaier und Finanzminister Scholz gewandt. Sie warnen die Bundesregierung darin, dass die geplanten Entschädigungszahlungen an die LEAG ein rechtliches Risiko für den beschlossenen Kohleausstieg darstellen. ClientEarth fordert die Bundesregierung dringend zu einer Stellungnahme auf, bevor das Kohleausstiegsgesetz am heutigen Tag vom Kabinett verabschiedet wird. 

 “Die deutschen Steuerzahler*innen sollten darüber in Kenntnis gesetzt werden, wofür sie eigentlich aufkommen: Der Energiekonzern LEAG soll mehr als 1,7 Milliarden Euro dafür bekommen, dass er Kraftwerke schließt, die er ohnehin zu ähnlichen Zeitpunkten geschlossen hätte. Das ist nicht nur politisch ein Skandal, sondern auch juristisch gefährlich”, sagt Prof. Dr. Hermann Ott, Leiter des ClientEarth Deutschlandbüros.

Die Jurist*innen warnen, dass das großzügige Geschenk an die LEAG dem ausgehandelten Kohleausstieg schaden könnte. Es könnte die Anwendung wesentlicher Regelungen zum  Braunkohleausstieg sogar komplett zum Kippen bringen, meint Hermann Ott: „Im schlimmsten Fall werden die vorgesehenen Zahlungen an die LEAG dazu führen, dass die Regelungen über Abschaltpfad und Entschädigungen zum Braunkohleausstieg unanwendbar bleiben. Denn die von der Bundesregierung geplanten Verträge mit den Betreibern stehen unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die EU-Kommission. Sollte diese Genehmigung wegen der jetzt bekannt gewordenen Umstände nicht kommen, fangen wir bei der Braunkohle wieder von vorne an. Der Kohleausstieg würde sich noch weiter nach hinten verschieben, die Klimaziele würden noch deutlicher verfehlt. Die Bundesregierung muss sich hierzu äußern.“

Schon vor Bekanntwerden der geplanten Zahlungen an die LEAG hatten die Jurist*innen von ClientEarth in Zweifel gezogen, ob großzügige Entschädigungen an eine wirtschaftlich strauchelnde Braunkohleindustrie im Einklang mit dem Beihilferecht stehen. Diese Überlegungen erhalten nun neue Brisanz. „Altmaiers Strategie ist es, sich einen Konsens zu erkaufen. Es ist höchst fraglich, ob die geplanten Regelungen zum Kohleausstieg, die geschenkte Milliarden zum Teil ohne erkennbare Gegenleistung enthalten, einer Prüfung nach dem EU-Beihilferecht standhalten werden. Denn mit solch einem Kohleausstiegsgesetz wird für die LEAG keinerlei Anreiz gesetzt, Kraftwerke früher zu schließen als geplant. Vielmehr vergoldet der ausgehandelte Ausstieg ihre ohnehin bestehenden Pläne. Gerade so etwas versucht das Beihilferecht zu verhindern“, so Ott weiter.

 

ENDE

Hinweise für die Redaktion:

Die Jurist*innen reagieren auf die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen, die zeigen, dass der ostdeutsche Kohlekonzern einen zehnstelligen Betrag aus Steuergeldern erhalten könnte, ohne dass dieser seine Kraftwerke wesentlich früher als ohnehin vorgesehen vom Netz nimmt.

Vergleicht man die internen Planungen des Unternehmens mit dem beschlossenen Kohleausstieg, reduziert die LEAG ihre Braunkohleförderung und -verbrennung gerade einmal um zusätzliche 1,5 Prozent.

ClientEarth: Rechtsgutachten – Kein Geld für alte Braunkohlekraftwerke

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28.10.2019

Liebe Mitstreiter*innen und Kolleg*innen,

Ein erster Gesetzentwurf zum Kohleausstieg wird in etwa einem Monat erwartet. Im Gespräch sind dabei auch (enorme) Entschädigungszahlungen an die Betreiber für die Schließung ihrer Kraftwerke.

Unsere Jurist*innen von ClientEarth haben heute einen Bericht zur Rechtmäßigkeit von Entschädigungszahlungen an Kraftwerksbetreiber im Rahmen des Kohleausstiegs veröffentlicht.

Das Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis: Mit großen Entschädigungssummen sollten Kraftwerksbetreiber lieber nicht rechnen. 

Pressemitteilung_Kein Geld für alte Kraftwerke

Kurz und knapp – was steht in unserem Gutachten?

Ø  Entschädigungen sind nach der deutschen Verfassung nicht zu rechtfertigen, die Europäische Kommission wird sie voraussichtlich nicht als Beihilfen anerkennen.

Ø  Entschädigungen nur möglich, wenn

(1) es für die Betreiber eine außergewöhnliche Belastung oder unzumutbare Härte wäre, ihre Kraftwerke schließen zu müssen.

(2) Betriebe nachweisen können, dass sie durch die Zahlungen keinen marktverzerrenden Vorteil gegenüber anderen Energieunternehmen haben.

Beide rechtlichen Anforderungen, werden Kohlebetreiber nur sehr schwer erfüllen können. 

Ø  Nach einer ökonomischen Auswertung von Sandbag lohnt sich Braunkohle in Deutschland nicht mehr, Betreiber machen bereits herbe Verluste.

Ø  In Anbetracht des aktuellen Marktwerts von RWE wäre es theoretisch sogar günstiger für die Bundesregierung, alle Braun- und Steinkohlekraftwerke aufzukaufen und selbst zu schließen.

Ø  Kein anderes Land der 14 EU-Mitgliedsstaaten, das aus eigenen Stücken den Kohleausstieg plant, sieht Entschädigungen für Kohleunternehmen vor. Das wird die Europäische Kommission bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.

Ø  Zahlt die Bundesregierung Entschädigungen, welche die Voraussetzungen des EU-Beihilferechts nicht erfüllen, kann die Europäische Kommission fordern, auch bereits gezahlte Beträge an den Staat zurückzuzahlen.

 

Weiterführende Information: 

ClientEarth hat erst kürzlich die BaFin davon in Kenntnis gesetzt, dass RWE womöglich den Markt manipuliert hat. Das Unternehmen teilte seinen Investor*innen mit, die Gerichtsentscheidung für einen Rodungsstopp des Hambacher Forsts würde das “Ergebnis vor Steuern (EBITDA) ab 2019 mit einem niedrigen dreistelligen Millionen Euro Betrag jährlich“ belasten.

Seit Ende September versucht RWE sich neu aufzubauen, indem das Unternehmen bis 2040 klimaneutral werden will. Am selben Tag haben Anwohner*innen am Tagebau Garzweiler in einer Pressekonferenz juristischen Widerstand gegen die Abbaggerung ihrer Häuser für die Erweiterung des Tagebaus angekündigt. Die “Neue RWE” hält jedoch weiter an der Zerstörung ihrer Dörfer fest.

ClientEarth – Anwälte der Erde und Greenpeace Deutschland haben im Mai dieses Jahres einen Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz veröffentlicht. Der Gesetzentwurf wirbt für einen vollständigen Kohleausstieg bis 2030, um das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und so die Auswirkungen des Klimawandels auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Zudem zeigt er Optionen für einen Ausstieg bis 2035, dem von der Kohlekommission vorgeschlagen frühesten Zeitpunkt eines endgültigen Kohleausstiegs.

 

Liebe Grüße,

Lea